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Das Auswanderungsverbot im Königreich Württemberg

 

die eiserne Zeit, 1806-1805
Bauern mit Sensen

für viele schien die Auswanderung die einzige Lösung zu sein, um zu versuchen, die eigenen Lebens-verhältnisse zu verändern, in der Hoffnung, einer Verbesserung der Lage.

Schon im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts (1751-1755; 1795-1799; 1800-1806) bildete der Schwarzwald eine der wichtigsten Auswanderungsregionen in Württemberg.

Damals zogen die Württemberger meist in das durch die Türkenkriege entvölkerte Ungarn von Maria Theresia (Donauschwaben), in das dünn besiedelte Russland von Katharina der Großen oder in den preußischen Teil Polens von Friedrich Wilhelm II..

die polnische Teilung in den Jahren 1772, 1793 und 1795
die polnische Teilung in den Jahren 1772, 1793 und 1795
Jakob Christian Schlotterbeck: Herzog Carl Eugen
Jakob Christian Schlotterbeck:
Herzog Carl Eugen

Schon am 25. April 1782 verwarnte der damalige Herzog Karl Eugen von Württemberg seine

„... lieben und getreuen Untertanen sich durch falsche Vorspiegelung einer gebildeten Glükseligkeit betören [zu] lassen,...”

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Während des 1. Koalitionskrieges (auch: 1. Revolutiuonskrieg, 1792-1797) wurde die Auswanderung zwischen 1795 und 1799 zu einer Dauererscheinung.

Durch steigende Preise und durch wachsende Steuerlast stieg der ökonomische Druck immer weiter an. Als in der Schlacht bei Meßkirch (5. Mai 1800) die Franzosen den Südwesten Deutschlands überrannten, kam es in den Jahren 1800/1801 zu einem neuen Anstieg der Auswanderung, was die Obrigkeit sehr beunruhigte.

Herzog Friedrich II. von Wirtemberg
Herzog Friedrich II. von Wirtemberg

Der damalige Herzog Friedrich II. reagierte mit verschiedenen Reskripten.

Mit dem General-Rescript Nr. 1615 vom 29. Februar 1804 die Anzeige der Auswanderungsfälle betreffend, wandte sich Friderich der Zweyte, Von Gottes Gnaden, Herzog von Württemberg [bis 1806 Wirtemberg geschrieben], des heil. Röm. Reichs Erz-Panner und Churfürst, Herzog von Teck u.a. an die Oberbeamten:

„Unsern Gruß zuvor, Liebe Getreue!
Da Wir auch fernerhin über die, seit einiger Zeit zunehmenden, Auswanderungen Unserer Churfürstlichen Unterthanen, und die dabei vorwaltenden Umstände zu erhalten wünschen: so geben Wir euch den gnädigsten Befehl, von nun an jeden einzelnen Auswanderer, unter Bemerkung seiner Familie, seines Vermögens, der Ursachen und Veranlassung seiner Auswanderung, wie auch des Ziels derselben, Unserer Churfürstlichen Regierung unterthänigst anzuzeigen.
Zugleich befehlen wir euch gnädigst, diejenigen Personen, welche seit der, in Gemäsheit des Circular-Rescripts vom 17. Sept. 1803 [Das Circular-Rescript vom 17. Sept. 1803 befiehlt die Anlegung und Einsendung eines Verzeichnisses sämtlicher seit dem Jahr 1800 ausgewanderten Personen. Ein Circular-Rescript vom 20. Juni 1804 verfügt, daß die Auswanderer erst nach Ausstellung der Bürgerrechts-Verzichts-Urkunde als solche in das Verzeichis aufzunehmen seyen.] verfertigten, Tabelle, bis auf den Tag der Insinuation dieses Rescriptes, ausgewandert sind, in eine neue, nach obigen Rücksichten zu verfassende, summarische Tabelle zu bringen, und solche sofort an gedacht Unsere Churfürstliche Regierung einzusenden.
Daran geschiehet Unser Will, und Wir verbleiben euch in Gnaden gewogen...

G. Zeller: Sammlung der württembergischen Regierungsgesetze, 3. Teil, Ludwig Friedrich Fues, Tübingen, 1843, S. 1223

 

 

Das Circular-Rescript vom 17. September 1803 befohl den Ober- und Stabsbeamten die Anlegung und Einsendung eines Verzeichnisses sämtlicher seit dem Jahr 1800 ausgewanderten Personen.

Ein weiteres Circular-Rescript vom 20. Juni 1804 verfügte, dass die Auswanderer erst nach Ausstellung der Bürgerrechts-Verzichts-Urkunde als solche in das Verzeichis aufzunehmen seyen.

 

am 20. Mai 1805 zum x-ten Male darauf mit einem Generalreskript, indem er verbot, „sich auf Werbungen einzulassen und Unterhändlern in fremde, mit dem Reiche in keiner Verbindung stehende Länder zu folgen.

Da auch dieses Reskript ohne Erfolg blieb (manch Auswanderungswilliger schlich sich heimlich aus dem Lande fort), erließ Friedrich, nun König von Württemberg, am 29. Mai/1. Juni 1807 ein striktes Auswanderungsverbot. Hintergrund dieser Maßnahme war nicht zuletzt der Wunsch des Landesherrn nach mehr Soldaten und Menschen (Steuerzahler).

[Nr.] 1748.
Rescript der Kön.[iglichen] Ober-Landesregierung, betreffend das Verbot der Auswanderung, vom 29. Mai/1. Juni 1807.

(Friedrich.) Da Unsere Allerhöchste Willens-Meinung dahin geht, daß keinem Unserer kön.[iglichen] Unterthanen das Auswandern mehr erlaubt seyn solle, so lassen Wir Euch solches zu Eurer Nachricht und um die in dem Euch allergnädigst anvertrauten Kreisbezirk befindlichen Oberbeamten hienach bescheiden zu können, hiemit unverhalten. Daran Stuttgardt, im kön. Ober-Landes-Regierung. d. 29. Mai/1. Juni 1807.

aus: Sammlung der württembergischen Regierungs-Gesetze, Vierter Theil, enthaltend die Gesetze von 1806 bis 1820, Ludwig Friedrich Fues, Tübingen, 1846, S. 97;

 

 

In Württemberg hatte fast 300 Jahre lang Auswanderungsfreiheit bestanden. Der Tübinger Vertrag vom 8. Juli 1514 gewährte allen württembergerischen Untertanen, einschließlich den Leibeigenenden das freie Recht der Auswanderung, ohne Rücklassung einer Nachsteuer. Verpflichtend war lediglich, dass Auswanderer sich bei dem für sie zuständigen Amt abmeldeten, und vorher ihre Schulden bezahlt oder sich mit den Gläubigern gütlich geeinigt hatten.

Am 30. Dezember 1805 eignete sich Kurfürst Friedrich Wilhelm Karl die landständischen Kassen und das Archiv der Stände gewaltsam an. Durch das General-Reskript Nr. 1670 vom 31. Dezember 1805 wurden die Städte und Ämter zur bedingungslosen Unterordnung unter die Organe der Regierung und zur Ablieferung aller Steuern an diese angewiesen. Damit endete die landeständische Verfassung Württembergs, das „gute, alte Recht“, der Tübinger Vertrag, somit auch das Recht zur Auswanderung. Nun war sogar den Handwerkersjungen das Wandern und den Studenten das studieren in nicht-württembergischen Universitäten untersagt. Es begann die 14jährige absolute Herrschaft der Könige von Württemberg.

Hintergrund dieser Maßnahme war wohl der Besuch von Kaiser Napoleon im Oktober 1805, bei dem der Kürfürst die Königswürde in Aussicht gestellt bekam, die er am 1. Januar 1806 dann auch erhielt. Bis zum Ende der Napoleonischen Kriege (1815) gab es in Württemberg keine Landtage mehr.

mehr zum Auswanderungsverbot in anderen deutschen Ländern ..... klicke hier

 

 

1. Seite der Bundesakte von 1815
1. Seite der Bundesakte von 1815

Erst die Landständische1 Verfassung des Königreichs Württemberg vom 15. März 18152 sollte mit Artikel 563 die Auswanderungsfreiheit wieder-herstellen.

Dementsprechend wurde vonseiten der württembergischen Regierung das 1807 aufgehobene Auswanderungsrecht wieder hergestellt.

Die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 in § 185 garantierte den Untertanen der deutschen Bundesstaaten der verbündeten Fürsten4 und freien Städten ... die Befugniß des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaat in den andern, der erweislich sie zu Unterthanen annehmen will,.....

Den Staatsgrundsätzen der einzelnen Bundesstaaten blieb es vorbehalten, das Auswanderungsrecht zu "emancipiren".

 

 

Bauernfamilie
Bauernfamilie

Allerdings mussten dabei verschiedene gesetzliche Bestimmungen erfüllt werden, die in einer königlichen Verordnung Nr. 51 vom 15. August 1817 in 25 Paragraphen aufgeführt sind. Jeder, der auszuwandern gedachte, hatte dies bei der Gemeindeverwaltung anzuzeigen und das Ziel der Auswanderung anzugeben. Er musste einen Antrag um Entlassung aus dem württembergischen Staatsverband stellen und in diesem auf sein bisheriges Bürgerrecht verzichten, zugleich versichern, dass er verschiedene Verpflichtungen einhalten werde.

Königl. Verordnung vom 15. August [1817], die gesetzlichen Bestimmungen über die Auswanderungen betreffend.
Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Württemberg.
Unser wiederholten Zusicherung vom 5. Juni zufolge, daß Unser getreues Volk in den Genuß der Wohlthaten des Verfassungs-Entwurfs, so weit sie nicht die landständische Repräsentation betreffen, gesetzt werden solle, sehen Wir Uns hiemit veranlaßt, in Beziehung auf die §§. 71, 72 und 73 dieses Entwurfs und unter Rücksicht auf die früheren gesetzlichen Bestimmungen, das Recht der freien Auswanderung betreffend, nach Anhörung Unsers Geheimen-Raths, Folgendes zu verordnen:
§. 1. Jeder selbständige Staatsbürger hat das Recht, aus dem Königreiche auszuwandern, so bald er dem ihm vorgesetzten Beamten von seinem Vorsatze die Anzeige gemacht, seine Schulden und andere Obliegenheiten berichtigt, und unter Verzichleistung auf sein Bürger- und Unterthanenrecht hinreichende Versicherung ausgestellt hat, daß er innerhalb Jahresfrist gegen König und Vaterland nicht dienen, und eben so lang in Hinsicht auf die vor seinem Wegzuge erwachsenen Ansprüche vor den Gerichten des Königreichs Recht geben wolle.

Staats- und Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, vom Jahr 1817, im Auszuge, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, Stuttgart, 1840, S. 64 ff.

 

 

Bis zum Jahr 1870 hatte man Auswanderungsanträge zu stellen und um Auswanderungserlaubnis nachzusuchen, wenn man sich außerhalb Württembergs niederlassen wollte. Dies galt auch für sämtliche deutsche Länder außerhalb Württembergs (Bayern, Baden, Sachsen, Preußen, Hamburg, usw.)

 

In Württemberg erlangte die Landständische Verfassung von 1815 allerings erst am 25. September 1819 offiziell Geltung. So versicherte der Staat in § 24 jedem Bürger Freiheit der Person, Gewissens- und Denk-Freiheit, Freiheit des Eigenthums, und Auswanderungs-Freiheit.

 

Da in Rheinhessen der Artikel 7 des Zweiten Pariser Friedens vom 20. November 1815 angewandt wurde, der die Auswanderung auf sechs Jahre freigab, kam in Württemberg das Gerücht auf, dass Zar Alexander I. ein Abkommen mit seinem Schwager König Wilhelm von Württemberg abgeschlossen hätte, wonach württembergische Untertanen für sechs Jahre nach Russland auswandern durften.

mehr zum Ansiedlungsmanifest von Alexander I. ..... klicke hier

 

Bibelstunde
Bibelstunde

Während der Zeit des Auswanderungsverbotes (1807-1815) stauten sich der ökonomische und politische Druck, die religiöse Ausgrenzung und der Wunsch nach Auswanderung an.

Im Hintergrund bildeten sich in diesen Jahren immer mehr Pietistengruppen, die ungeduldig darauf warteten, in einer fernen, aber Hoffnung weckenden Welt ihre religiös-sozialen Utopien zu verwirklichen.

 

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1 Landstand = die nach Ständen (Geistlichkeit, Ritterschaft, Städte, selten auch die Bauern) gegliederte Vertretung des Landes gegenüber dem Landesherrn.

2 Landständische Verfassung des Königreichs Württemberg = Bei den Verhandlungen auf dem Wiener Kongress (18. September 1814 bis 9. Juni 1815) bestand das Ziel, für das neu zu konstituierende Deutschland eine bundesstaatliche Verfassung zu errichten. Der Erstentwurf des Konzepts für einen Staatenbund wurde von Metternich am 23. Mai 1815 der Versammlung der deutschen Einzelstaaten zugeleitet. Württemberg opponierte gemeinsam mit Bayern gegen diesen Staatenbund. Weil König Friedrich mit einer eigenen Verfassung der Bundesverfassung zuvorkommen wollte, legte er bereits dem am 15. März 1815 einberufenen Landtag ein Staatsgrundgesetz vor. Württemberg unterzeichnete erst am 1. September 1815 die Deutsche Bundesakte und trat damit erst nachträglich dem am 8. Juni 1815 gegründeten Deutschen Bund bei. Der Entwurf des Staatsgrundgesetzes traf auf starken Widerstand der Landstände, die die bisherige auf dem Tübinger Vertrag vom 8. Juli 1514 basierende Verfassung wieder in Kraft setzen wollten. Den Landständen gelang es, die Bevölkerung in einer Kampagne für das alte Recht auf ihre Seite zu ziehen. Einer der Protagonisten dieser Bewegung war der Dichter und Politiker Ludwig Uhland, der hierfür eigens das Gedicht 'Das alte, gute Recht' verfasste. Die Kampagne war so wirksam, dass das von König Friedrich vorgelegte Staatsgrundgesetz nicht verabschiedet wurde. Die völlig überarbeitete Verfassung wurde erst durch seinen Nachfolger König Wilhelm I. am 25. September 1819 erlassen.

3 Artikel 56 der Landständischen Verfassung vom 15. Merz 1815 = Jeder Unterthan hat, wenn er von der Militairpflichtigkeit befreyt ist, oder derselbe Genüge geleistet hat, das Recht, mit seiner Familie auszuwandern. Nur muß er dieses Vorhaben nicht nur seiner vorgesetzten Obrigkeit anzeigen, sondern auch in den öffentlichen Blättern bekannt machen, und auf das Unterthanen- und Bürgerrecht für sich und seine mit ihm auswandernden Kinder Verzicht leisten.
Vor dem Ablaufe eines Jahrs nach dieser Bekanntmachung darf er das Königreich nicht verlassen, um innerhalb dieses Zeitraums seine Angelegenheiten in Richtigkeit zu bringen, und in streitigen Fällen rechtlichen Austrag vor den Behörden den Königreichs zu geben und zu nehmen.
Frauens-Personen, welche sich auswärts verheirathen, müssen während des bestimmten Jahrs hierin von ihren Eltern oder Pflegern vertreten werden.
An Abzugs-Gebühren hat der Auszuwandernde eben so viel zu bezahlen, als die in das Königreich hereinziehenden Angehörigen eines fremden Staats, in welchem jener sich niederläßt, zu entrichten haben.

4 Fürst (althochdeutsch furisto, „der Erste“, vgl. englisch first, „erst, als erstes“) ist in der hierarchischen Ordnung des Adelssystems im alten Reich der höchste Titel, unter dem auch Herzöge, Land-, Mark- und Pfalzgrafen inbegriffen waren.

5 Artikel 18 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1805 = Die verbündeten Fürsten und freien Städte kommen überein, den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten folgende Rechte zuzusichern:
a) Grundeigenthum außerhalb des Staates, den sie bewohnen, zu erwerben und zu besitzen, ohne deßhalb in dem fremden Staate mehreren Abgaben und Lasten unterworfen zu seyn, als dessen eigene Unterthanen;
b) Die Befugniß
1. des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaat in den andern, der erweislich sie zu Unterthanen annehmen will, auch
2. in Civil- und Militärdienste desselben zu treten, beides jedoch nur in so fern keine Verbindlichkeit zu Militärdiensten gegen das bisherige Vaterland im Wege stehe; und damit wegen der dermalen verwaltenden Verschiedenheit der gesetzlichen Vorschriften über Militärpflichtigkeit hierunter nicht ein ungleichartiges für einzelne Bundesstaaten nachtheiliges Verhältniß entstehen möge, so wird bei der Bundesversammlung die Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze über diesen Gegenstand in Berathung genommen werden.
c) Die Freiheit von aller Nachsteuer (jus detractus, gabella emigrationis), insofern das Vermögen in einen andern deutschen Bundesstaat übergeht und mit diesem nicht besondere Verhältnisse durch Freizügigkeits-Verträge bestehen.
d) Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen.

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